Dienstag, 19. Februar 2013

Die Psychologie eines Streichinstruments


Es steht im Weg. Immer. Und doch kann ER nicht ohne. ER ohne SEIN Kontrabass.

Derzeit wird im Staatstheater Kassel "Der Kontrabass" von Patrick Süßkind aufgeführt. Und obwohl es ein Ein-Mann-Stück ist, steht irgendwie doch nicht dieser Mann - sehr überzeugend mit Witz und Gespür für den Moment gespielt von Franz-Josef Strohmeier - im Mittelpunkt, sondern das omnipräsente Intrument
Zunächst erläutert ER (der Namenlose) SEIN Instrument, stellt alle möglichen Fakten dar, die Wichtigkeit. Man mag sogar einen Moment lang davon überzeugt sein, dass ER es mag, dass ER im Gegensatz zum Rest der Welt von der Wichtigkeit SEINES Instruments überzeugt ist.
Doch bald schlägt dieses Gefühl um und man merkt, dass es IHN erdrückt immer nur die überdimensionierte letzte Geige, pardon Kontrabass, zu spielen. Keiner Beachtet IHN, SEINE Töne, die Essenzialität SEINES Schaffens. Und dieses Monstrum von Instrument stört SEIN Leben, SEIN Lieben und dies zieht sich wie eine rote Saite durch SEIN Leben.
Selbst die von IHM verehrte Sopranistin beachtet IHN nicht. Um dies zu ändern, plant ER etwas noch nie Dagewesenes, etwas Unerhörtes, einen Ausbruch...und am Ende des Stücks steht die Frage: Wird ER es tun?
Die Bühne ist sehr einfach gehalten: Eine weiße, fast schwebende Rückwand. Eine Einbuchtung darin, in der der Kontrabass gerade zu in SEINEM kleinen Kosmos residiert. ER ist in Frack gekleidet, was die Strenge und man möchte fast sagen, Angepasstheit SEINES Daseins unterstreicht.
Die Inszenierung von Patrizia Schuster dauert etwas über eine Stunde und zeigt manchmal bedrückend, manchmal durchaus belustigend die inneren Abgründe, die ein Mensch mit Sich und vielleicht auch durch seine Arbeit erleben kann.
Eine absolut empfehlenswerte Aufführung.

Coq au Goettingen

Heute frisch aus Benoît's Cuisine d'Experiment auf ihren Tisch: Coq au Goettingen oder Huhn auf Gemüse, weil Monsieur mal Low Carb testen will.

Man nehme:

500gr Hühnerfilet
3 Paprikaschoten (die bunten)
1 Möhre
3 Frühlingszwiebeln
(Was sich sonst noch in Garten, Markt oder Laden tummelt)
1 Dose stückige Pizzatomaten (am besten mit Kräutern)
1 Packung geriebener Emmentaler

Das Gemüse alles klein schnippeln. Ob in Scheiben, Würfeln, Dreiecke oder Pyramiden ist ziemlich egal. Die Hühnchenbrust in etwas Öl scharf von beiden Seiten anbraten und sich freuen wie sie vor Schreck erbleicht. Während des Bratens mit Salz und Pfeffer würzen. Das Gemüse in einer Auflaufform verteilen und die Pizzatomaten darüber verteilen. Auch dies etwas mit Salz und Pfeffer würzen. Dann wird das Hühnchen auf sein Bett gelegt und man darf ihm noch ein paar Worte mit auf den Weg geben, bevor man es gänzlich mit dem geriebenen Emmentaler bedeckt. Und dann ab in den Brutkasten für etwa 30-45 Minuten bei etwa 220°C. Da schließt sich der Kreis des Huhns...vom Brüten zum Brüten.
Wenn der Käse schön braun und knusprig ist und das Gemüse gar zu sein scheint, wird es wohl auch das Huhn sein. Man kann das ganze so essen, oder eben auch mit irgendwelchen netten Beilagen.

Bon Appetit!


(Da es so lecker war, hab ich schon alles gegessen und kein Bild gemacht. Deshalb diese visuelle Untermalung :-))


Samstag, 9. Februar 2013

Was es (vielleicht) nicht ist

Es ist (vielleicht) nicht Unsinn
sagt die Liebe
Es ist (vielleicht) nicht was es zu sein scheint
sagt die Vernunft
Obacht

Es ist (vielleicht) nicht Unglück
sagt die Liebe
Es ist (vielleicht) nicht nur Schmerz
sagt die Liebe
Es ist (vielleicht) aussichtslos
Sagt die Liebe
Es ist (vielleicht) nicht was es zu sein scheint, 
schreien Berechnung, Angst und Einsicht im Chor

Es ist (vielleicht) nicht lächerlich
sagt die Liebe
Es ist (vielleicht) nicht leichtsinnig
sagt die Liebe
Es ist (vielleicht) nicht unmöglich
sagt die Liebe
Es ist (vielleicht) ganz anders
versuchen Stolz, Vorsicht und Erfahrung zu überzeugen

Sie hatten recht
kein vielleicht
kein nicht
Die Liebe ist (vielleicht) nicht nur blind
sondern auch dumm

Manchmal

(frei nach Erich Fried: Was es ist)

Facebook und der Obdachlose: Der Trend geht zu Streetmedia

Bäääm! Man haut mir auf die Schulter. Ich stehe 8:30 Uhr verschlafen mit dem Handy in der Hand an der Bushaltestelle und schreibe eine ganz klassische old-school SMS. "Na bist bei FACEBOOK?!?!" grölt es mir ins Ohr und ein zeitgleicher Lufthauch lässt Bilder von zerstörten Weinkellern mit Currywurst in meinem Kopf entstehen. "Nein, ich schreibe eine SMS!" - "Warum? Biste nich bei FACEBOOK? FACEBOOOK ist toll! Ist doch jeder bei FACEBOOK!" - "Naja, diejenige, der ich schreibe, ist es nun mal nicht." - Waaaas? Ist doch jeder bei FACEBOOK, ich auch! Schreibste deiner Oma, oder was?" ....debiles lachen folgt. "Ich bin auch bei FACEBOOK, ist doch jeder bei FACEBOOK! Musste heute auch, sonst biste nicht Teil der Gesellschaft, weißte!" Mein neuer beinahe-Facebook-Freund tippt wie wild auf einem alten, offensichtlich zerstörten Alcatel-Handy rum und freut sich sichtlich, schaut mich an und sagt: "Siehste, bin auch bei Facebook!" Dann packt er seinen Schlafsack und seine restliche habe, die hinter der Bushaltestelle lagerten zusammen und lässt mich verwirrt und nachdenklich zurück. Ich muss an 'twelve monkeys' und Bruce Willis denken und die alte Wahrheit 'In vino veritas'....oder lags an der Currywurst?

Dienstag, 5. Februar 2013

À Göttingen...

Seit nun drei Monaten wohne ich in der Stadt, in dem Bundesland gar, wo ich nie hinwollte... Wie kam es dazu, was trieb einen ironisch-überzeugten Hessen in das Exil. Lesen Sie die wahre schockierende Story hier, werden sie Zeuge dieses modernen Dramas:

Es begab sich eines morgens im Winter 2011 im beschaulichen Marburg. Die Nebelschwaden zogen durch das Lahntal, umhüllten noch sacht das Schloss und die Elisabethkirche. In just dieser Szenerie stand Bene verschlafen an seinem Fenster im Affenfelsen. Blick gerichtet in die Gärten des Südviertels direkt auf die Mülltonnen - ein kleiner Hint des Schicksals? Und ein Gedanke, ein Gefühl erstach ihn aus dem Hinterhalt: Shit, jetzt hab ich Indogermanistik studiert, bin fast fertig und mein Plan geht nicht auf. Scheiße....nix Promotion, nix Unikarriere. Das geht mir alles auf die nerven, irgendwie langweilt mich das alles. Is zwar spannend, aber aber aber....will ich das alles noch? Irgendwie nein. Ich will hier nicht noch 4 Jahre hängen. So tun als wäre die historische Sprachwissenschaft mein einziger Lebensinhalt, als wäre diese Stadt das Zentrum der Welt, als als als hätte ich mich nicht weiterentwickelt...Shit. der Plan, mein jugendlicher nerdy-esker Plan ein berühmter Sprachwissenschaftler zu werden, tja, das passt nicht mehr zu mir. Panik. PANIK...Was tun? Masterarbeit steht an. Promotion danach? Ähm nein. Gerade eher nicht. Erstmal gucken was da noch so ist. Warum nicht ne andere Stadt. Ne große Stadt gar. Kann ich das? Klar, warum nicht?! Aber was kann ich schon mit meinem Orchideenfach anfangen? Ich mach dann mal was mit Medien.....das ist doch der Trend, oder? Keine Einwände aus den hinteren Reihen meines Kopfes? Nein? Gut! Die Stimme in meinem Kopf suggeriert mir, dass das die Idee schlechthin ist. MEDIEN. Da ist noch keiner drauf gekommen....aber Moment. Medien, das ist Buch, Film Zeitschrift....hmpf. Das will jeder, hab ich in der NEON gelesen, glaub ich. Und ich jetzt auch noch....naja, the more the merrier, wa! All diese Gedanken schossen Bene in Sekundenbruchteilen durch seinen Kopf, während er seine Tasse Kaffee hielt und im Hintergrund bei "Rote Rosen" in der ARD die wirklichen Probleme dieser Welt gewälzt wurden. Im Notfall eröffnete er auch einfach einen Blumenladen wo immer nur Kaffee getrunken würde. Das könnte er. Rosen drapieren und über die neusten Intrigen sinnieren....EASY! Lüneburg soll ja auch nett sein.

Am Nachmittag. Büro in der Uni. Forschung. Texte wälzen und auswerten. Keinen Plan. "An sich ja spannend das alles. Aber warum ich? Ich brauch nen Ghostwriter. Ich les meine Masterarbeit dann am ende bestimmt interessiert. Aber muss ich das mach? Ja, echt? Wirklich ich....och menno. ok. hmpf.....erstmal Kaffee trinken, mit Johanna jammern und dann googlen was noch geht. Bücher, ja Verlag, das könnte es, nein das solls sein. Das war immer dier "interlektuelle" Notfallplan. Aber wo? Wissenschaftsverlag, klar. Das kann ich....auf Schlau tun, dat läuft. Und welcher Bereich? Lektorat, is doch logisch. Alles andere kann ich ja nicht. Marketing, oder so....um Gottes Willen....hab ich BWL studiert. Pfui. Now then, it's settled. Ich werde Lektor. Na also. So Schwer ist das doch gar nicht. Neuer Plan, neues Glück. Jetzt werden erst mal die Bewerbungsunterlagen gepimpt. Alles rein, was toll, vielseitig und schlau ist. Hui, ganz schön viel...Respekt Monsieur B., wir haben da aber schon so einiges gemacht. Die Personaler werden vor uns auf die Knie gehen."..........BÄÄÄM: Entschuldigung, Denkpolizei. Sie haben da gerade einen groben Fehler begangen. Bewerbungen in den Medien, noch im Verlagswesen gar und auch noch auf ein Praktikum. Wie süß....da wartet keiner.....KEINER. Nach Milliarden Bewerbungen und Jahrtausenden Wartezeit und einem Ego das in 'ne Streichholzschachtel passt, Zack, eine Email in Benes Postfach...."Vielen Dank für ihre Bewerbung, aber leider müssen wir Ihnen...." liest Bene schon vor seinem inneren Auge, doch Nein, "...ihre Bewerbung, leider können wir ihnen kein Praktikum im Lektorat Anbieten. Wenn sie allerdings ebenfalls an dem Bereich Rechte und Lizenzen Interesse haben sollten, könnten wir Ihnen ein 6 monatiges Praktikum anbieten." WHAT....Rechte und Lizenzen....Kann die gute Frau nicht Lesen? Das kann ich doch gar nicht. Hab ich Jura studiert.....neee, lass mal....Next one...mal googlen...langweilig, langweilig....Rechte....langweilig, langweilig....Lizenzen....langweilig....hmmmm Rechte und Lizenzen....hmmm....vielleicht...also, mal gaaanz hypothetisch....kann ich ja nun noch so gar nicht....denkdenkdenk....könnte ich halt auch viel lernen....hmmm....vielleicht doch? Is aber in Göttingen....Göttingen....Niedersachsen....oha....Kassel is schon so komisch....aber...is schon auch mal ne andere Stadt....Ach komm....open yourself, free your mind....Berwerbungsgespräch geht schonmal. Und dann sehen wir mal weiter. Da kommt bestimmt noch das total coole und hippe Angebot aus Berlin oder so....und dann ist Göttingen eh raus....."

Die Karmapolizei hatte da offensichtlich anderes vor....